Jakob-Kemenate

Nordwestansicht

Nordwestansicht

  1. Nutzung, Bauzeit:

    • Kemenate aus der Mitte des 13. Jh., Sanierung und Erweiterungsbau 2005/06, Nutzung für kulturelle Zwecke und Stipendiatenwohnung.
  2. Städtebauliche Situation, Nachbargebäude:

    • freistehende Bebauung in Hofsituation zwischen Eiermarkt und Brabandtstraße;
    • Erschließung über die an der Brabandtstraße überbaute Jakobstraße (hier Sackgasse);
    • Nachbargebäude: am Eiermarkt: Jakob-Kapelle mit Gemeindezentrum St. Martini (um 1975), an der Ostseite riegelartige Überbauung der Jakobstraße durch ein Bankgebäude der1960er Jahre mit Hinterhof.
  3. Geschossigkeit und Dachform:

    • zweigeschossige Anlage mit flachen Satteldächern über Kemenate und Wohnteil, dazwischen Flachdach (Foyer).
  4. Baukörpergestaltung:

    • Kemenate über quadratischem Grundriss, davor giebelständiger Erweiterungsbau bis an die Flucht der ehemaligen Jakobstraße in maßlichem Bezug zur Kemenate.
  5. Bezug von Baukörper und Dachform zur Umgebung:

    • Baukörper des Erweiterungsbaus auf Kemenate bezogen, stimmiges Gesamtensemble mit Jakobkapelle.
  6. Fassadengestaltung:

    • Kemenate mit historischen Fassaden saniert;
    • Foyer mit eingezogener Glasfassade in Pfosten-Riegel-Konstruktion, davor asymmetrische Doppelstütze als Kunstobjekt (Plastik „Dialog“);
    • Vordergebäude (Wohnteil) mit einheitlicher Materialität von Fassaden und Dach und Fensteranordnung in freier Komposition.
  7. Detaillierung:

    • knapp ausgebildete Details mit Bezugnahme auf das Baudenkmal Kemenate;
    • Fenster des Vordergebäudes in Fassadenflucht und ohne Binnenteilung, im Obergeschoss übereck;
    • am Südgiebel vorgesetzte Verglasung zum Schutz eines Originalfensters aus dem 13. Jh.;
    • Pfosten-Riegel-Konstruktion des Foyers mit maßstäblicher Binnenteilung.
  8. Materialien und Farbgebung:

    • Kemenate aus Bruchsteinmauerwerk;
    • Kemenatendach und Vordergebäude (Wohntrakt, einschl. Dach) sowie Plastik „Dialog“ mit Verkleidung aus Cortenstahl mit angerosteten Oberflächen.
    • anthrazitfarbene Pfosten-Riegel-Konstruktion und Kemenatenfenster mit Metallrahmen.
  9. Bezug der Materialien und Fassadengestaltung zur Umgebung:

    • Material- und Formensprache des Anbaus stehen in einem ausgewogenen Spannungsverhältnis zum Altbau Kemenate;
    • haptische Wirkung der Cortenstahloberflächen korrespondieren mit Natursteinfassaden der Kemenate und der Jakobkapelle.
  10. Abschließende Bewertung: + + +

    • gelungene Restaurierung eines hochwertigen Baudenkmals nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten;
    • hochwertige Kombination des Baudenkmals mit einer zeitgenössischen Ergänzung unter Wahrung der Maßstäbe.
Nordwestansicht

Nordwestansicht

Mit der Kemenate hinter der Jakob-Kapelle ist ein mittelalterlicher Wohnbau aus der Zeit um 1250 erhalten geblieben. Der Bruchsteinbau führte mit seiner abgeschiedenen Lage über Jahrzehnte ein unscheinbares Dasein. Das Baudenkmal stellt den Restbestand eines bedeutenden Patrizieranwesens dar (urspr. Jakobstraße 3), das im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und in den 1960er Jahren bis auf die Kemenate beseitigt wurde. Mit dem Abbruch der wertvollen Gebäudereste ging die (sehr unerfreuliche) Überbauung der Jakobstraße einher. Sie gehörte zu den ältesten Straßen des alten Braunschweig und verknüpfte Eiermarkt und Kohlmarkt.

Kemenaten waren die steinernen Gebäudeteile mittelalterlicher Hausanlagen und befanden sich zumeist im rückwärtigen Bereich der Wohnhäuser. Die Vorderhäuser bestanden in der Regel aus Fachwerk, waren bisweilen jedoch ebenfalls als Massivbauten ausgebildet. So zeigte auch die Jakob-Kemenate von Beginn an ein steinernes Vorderhaus, wie alte Fotografien und die Abbruchkante an der Nordwestecke des historischen Bauwerks beweisen. Der Gebäudetyp Kemenate diente zum Wohnen und zur Einlagerung hochwertiger Güter. Der im Obergeschoss gelegene Wohnraum der Jakob-Kemenate war mit einem Kamin ausgestattet: Die Bezeichnung „Kemenate“ leitet sich von „Kamin“ her. In den Jahren 2005/06 konnte die Kemenate von einer privaten Stiftung nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten hochwertig saniert werden. Das gesamte Bauvorhaben umfasste neben der Sanierung einen Anbau an Stelle des ursprünglichen Vorderhauses. Dieser gliedert sich in ein offen gestaltetes Foyer und einen eher geschlossen ausgebildeten Bereich an der ehemaligen Jakobstraße. Letzterer beinhaltet im Ober- und Dachgeschoss eine Stipendiatenwohnung. In das neue Vordergebäude ist in seiner Rück- und Giebelseite eine erdgeschossige Bruchsteinmauer integriert.

Foyer und Kemenate werden für Kunstausstellungen, Tagungen sowie private Feiern genutzt und sind sind täglich für die Öffentlichkeit zugänglich.

Der Anbau nimmt die Gebäudekubatur der Kemenate auf. Er variiert sie mit dem flach gedeckten Foyerbereich und dem straßenseitigen Bauteil, der mit einem Satteldach abschließt. Das Satteldach zeigt den gleichen Umriss wie das über der Kemenate ebenfalls völlig neu errichtete Dach. Aufgrund der abknickenden östlichen Grundstücksgrenze ist der Straßengiebel des Vordergebäudes jedoch asymmetrisch. Ein verbindendes Element des Gesamtensembles sind die Fassadenverkleidungen und Dachdeckungen mit Cortenstahl. Cortenstahl wird bereits mit angerosteten, witterungsresistenten Oberflächen produziert und mit seiner Patina aus gestalterischen Gründen bewusst in der Architektur verwendet. Am Vorderhaus gehen die Fassaden ohne Zäsur in geneigte Dachflächen über. Hier sind die flach in die Fassaden eingebundenen, ungeteilten Fensteröffnungen nach funktionalen Gesichtspunkten positioniert und ergeben eine freie Komposition. Der eingezogene Foyerbereich ist über beide Geschosse mit einer Pfosten-Riegel-Konstruktion verglast und schließt mit einem bis zur Fassadenflucht von Kemenate und vorderem Bauteil auskregenden Flachdach ab. Vor der Fassade stehen seitlich zwei wieder mit Cortenstahl verkleidete Pfeiler, die als künstlerisch gestaltete Elemente ausgeführt sind („Dialog“). Mit der Sanierung und Erweiterung der Kemenate konnte auch der Hof gestaltet werden, der als Freisitz und zur Aufstellung von Plastiken genutzt wird. Die Kemenate selbst erhielt neben dem neuen Dachaufbau Metallfenster und am Südgiebel eine vorgesetzte Verglasung zum Schutz eines Originalfensters aus dem 13. Jahrhundert.

Die Jakob-Kemenate ist inzwischen zu einer Braunschweiger Institution geworden. Ebenso ist sie eine Bereicherung der hiesigen Architekturlandschaft. Mit der Sanierung der Kemenate wurde ein bedeutendes Baudenkmal wiedergewonnen und der Öffentlichkeit sowohl bewusst als auch zugänglich gemacht. Der Anbau zeigt sich als vorzügliches Beispiel für die Ergänzung bzw. das Weiterbauen eines historischen Hauses. Die auf den ersten Blick möglicherweise befremdliche Fassaden- und Dachgestaltung mit Cortenstahl fügt sich gut in den Zusammenhang mit dem haptischen Bruchsteinmauerwerk der Kemenate. Zu Recht ist die Jakob-Kemenate auch in weiten Kreisen der Fachwelt wahrgenommen und gewürdigt worden.

Altan
Austritt (Balkon) über einem Vorbau, z.B. über einer Veranda
Aus- bzw. Vorkragung
über die Bauflucht vorspringendes Stockwerk bzw. Gebäudeteil
Brüstung
Wandbereich unter einer Fensteröffnung
Fasche
Rahmung einer Fassadenöffnung (Tür, Tor, Fenster) durch Putz- oder Farbstreifen bzw. mit hölzernen Bauteilen
Fensterband
Reihung von Fensteröffnungen, bei Treppenhäusern auch in senkrechter Anordnung möglich
Freigespärre
Vor einer Giebelfassade angeordnetes Dachgespärre zur Stützung eines entsprechenden Dachüberstandes, oft aus dekorativen Gründen errichtet
Fronton
unmittelbar über der Traufe vor der Dachfläche und quer zum First aufgesetzter Dreiecksgiebel
Gaube
hinter die Traufe zurückgesetzter Dachaufbau
Gesims
waagrechter Mauerstreifen oder entsprechendes Profil zur Fassadengliederung, häufig auch an der Traufe (Traufgesims, bei freistehenden Bauten auch Kranzgesims genannt)
Gewände
Einfassung einer Fassadenöffnung (Tür bzw. Fenster)
Kolonnade
offener Gang hinter einer Pfeiler- oder Säulenreihe
Lisene
flacher, senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung
Loggia
hinter einer Fassadenflucht eingezogener Freibereich mit Austritt
Mezzaningeschoss
niedriges Stockwerk, meist unter dem Dachansatz (Traufe) angeordnet
Okulus
kreisrunde Fensteröffnung
Ortgang
Kante einer Dachschräge am Giebel
Paneel
geschlossene Füllung in einer Vorhangfassade
Pilaster
senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung, entsprechend einer Säule mit Basis und Kapitell gesteltet
Pultdach
Dach mit einseitig geneigter Fläche
Risalit
vorspringender Fassadenbereich in gesamter Gebäudehöhe, meist als Mittel- oder Seitenrisalit
Segmentbogen
Bogen über einem Kreisausschnitt (kein voller Rundbogen)
Sohlbank
architektonisch betonter, unterer Abschluss einer Fensteröffnung
Staffelgeschoss
hinter die Traufe zurückspringendes Dachgeschoss, zumeist bei Flachdächern
Sturz
oberer Abschluss einer Wandöffnung (Tür bzw. Fenster)
Traufe
oberer, waagrechter Abschluss einer Fassade, bei geneigten Dächern die untere Dachkante
Vorhangfassade
vom Haupttragwerk eines Gebäudes abgelöste Fassade in Pfosten-Riegel-Konstruktion, oft großflächig verglast
Werkstein
durch Steinmetz bearbeiteter Naturstein
Zwerchhaus
unmittelbar über der Traufe in Fassadenflucht angeordneter Dachaufbau mit Giebel quer zum First (Zwerchgiebel)