Jugendherberge

Südansicht von der Wendenstraße

Südansicht von der Wendenstraße

  1. Nutzung, Bauzeit:

    • Jugendherberge des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH), errichtet 2013-2015.
  2. Städtebauliche Situation, Nachbargebäude:

    • zweiteilige Bebauung an der Wendenstraße und am Fußweg Neuer Geiershagen, das Hauptgebäude auf spitzwinkliger Grundfläche;
    • Nachbargebäude: Wendenstraße 27: fünfgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus, Putzbau mit Satteldach aus den 1950er Jahren; Wendenstraße 25: fünfgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus, postmodern erscheinender Putzbau mit Satteldach und Gliederung durch Erker aus den 1990er Jahren.
  3. Geschossigkeit und Dachform:

    • sechsgeschossiger Hauptbau mit Flachdach;
    • rückwärtiger Bautrakt zweigeschossig, mit Flachdach; gläserner Verbindungsgang über dem Fußweg.
  4. Baukörpergestaltung:

    • spitzwinkliger, kompakt erscheinender Hauptbau mit glatter Front zur Wendenstraße, die Westfassade zum Fußweg mit Erker, Loggia und nordseitiger Abstufung;
    • das Seitengebäude erscheint mit unterschiedlich fluchtenden Geschossen als gelagerter Baukörper.
  5. Bezug von Baukörper und Dachform zur Umgebung:

    • Hauptbau nimmt Maßstäblichkeit der Bebauung Wendenstraße auf und schafft mit spitzem Winkel markanten Akzent;
    • fehlende Betonung der Dachzone in einer von Satteldächern geprägten Umgebung.
    • der flache Seitentrakt ist auf den umgebenden Grünraum und den nahen Wallring abgestimmt.
  6. Fassadengestaltung:

    • Hauptbau mit Schrägstützen und entsprechend zugeschnittenene Fensteröffnungen im Erdgeschoss, darüber Putzfassaden, eingezogene Eingangssituation an der Gebäudespitze;
    • Fassade zum Fußweg mit zickzack-förmiger Kombination Erker-Loggia;
    • verglaster Übergang Haupthaus-Seitengebäude;
    • Seitengebäude: Nordfassade zum Bosselgraben (Wallring) zwischen schräg vortretenden Mauerflanken verglast, sonst in Anlehnung an Haupthaus.
  7. Detaillierung:

    • Im Erdgeschoss zwischen Schrägstützen Pfosten-Riegel-Konstruktionen;
    • Obergeschosse des Hauptbaus mit rhytmisierter, nutzungsbedingter und fassadenbündiger Befensterung (flaches Fassadenrelief);
    • Erker, Loggia, Übergang und Nordfassade Seitengebäude mit Pfosten-Riegel-Konstruktionen verglast;
    • schlanke Stahlgeländer.
  8. Materialien und Farbgebung:

    • Putzfassaden über Betonkonstruktion und Wärmedämmverbundsystem, dunkelgrau gestrichen, Fensteröffnungen und Laibungen der Schrägstützen mit grünen Farbstreifen akzentuiert;
    • Pfosten-Riegel-Bauteile und Fenster- sowie Türöffnungen aus Metall, graue Farbgebung;
    • Haustechnik über Seitengebäude aus silberfarbenem Edelstahl.
  9. Bezug der Materialien und Fassadengestaltung zur Umgebung:

    • Putz- und Lochfassaden des Hauptgebäudes korrespondieren mit Bebauung Wendenstraße;
    • differenzierte Gestaltung der Westfassade Hauptbau und der Fassaden des Seitengebäudes reagieren auf Übergang zum Grünraum am Fußweg;
    • Erdgeschoss erscheint für öffentliches Gebäude zu niedrig und wirkt gedrückt;
    • Farbgebung der Putzfassaden erscheint trotz Farbstreifen eintönig.
  10. Abschließende Bewertung: +

    • wichtige Schließung einer Baulücke;
    • Stadtreparatur mit Schaffung einer sinnvollen Wegebeziehung, interessante Blickachse vom Inselwall auf St. Katharinen;
    • gut gewählter Standort für eine Jugendherberge;
    • Dachzonen, Fassaden- und Farbgestaltung zeigen Schwächen.
Südansicht von der Wendenstraße

Südansicht von der Wendenstraße

Der Nordabschnitt der Wendenstraße war an seiner Westseite bis vor wenigen Jahren von Baulücken gekennzeichnet. Nördlich des Eckhauses zur Kaiserstraße bilden zwei Wohngebäude (Wendenstraße 27-29) eine Bauflucht, die in nordwestliche Richtung weist. Diese Bauflucht widerspricht dem gekurvten Verlauf der Wendenstraße und geht auf die ehemaligen Planungen für einen Straßendurchstich von der Hamburger Straße/Lampestraße entlang des Gaußbergs bis zur Wendenstraße zurück (1987). Ein solch zerstörerischer Eingriff in den Wallring ist seinerzeit erfreulicherweise nicht erfolgt.

Mit dem Neubau der Jugendherberge wurde gleichzeitig eine Lösung angestrebt, um auch die städtebauliche Situation in diesem Quartier zu verbessern. Grundlage für den Bebauungsplan war ein 2009 ausgelobter Architekturwettbewerb. Der Bau der Herberge erfolgte in den Jahren 2013 bis 2015.

Es handelt sich um eine zweiteilige Bebauung, die einen neuen Fußgängerweg (Neuer Geiershagen) von der Wendenstraße zum Inselwall einfasst. In der Blickachse des Weges liegt im Süden der Westbau der Katharinenkirche. Die Flucht der Häuser Wendenstraße 27-29 ist maßgebend für den Fußgängerweg, der den Baukomplex der Jugendherberge teilt. Der Hauptbaukörper nimmt die Fluchten der Wendenstraße und des Neuen Geiershagen auf. Nach Süden schließt das Gebäude spitzwinklig ab. An der Westseite des Fußweges befindet sich ein niedrigerer Gebäudeteil. Beide Bauteile werden durch einen Übergang über den neu angelegten Weg miteinander verknüpft.

Der Hauptbau der Jugendherberge markiert die scharfkantige Ecksituation zwischen Wendenstraße und Fußgängerweg. Daher bildet das auf entsprechend dreieckigem Grundriss errichtete Gebäude nach Süden hin eine markante Spitze. Der fünfgeschossige Bau zeigt ein Flachdach und schließt an den Brandgiebel des benachbarten Hauses Wendenstraße 35 an. In den Erdgeschossfassaden sind im Südteil V-förmige Stützen angeordnet, über ihnen erheben sich die oberen Stockwerke. Über der Eingangssituation in das großzügig verglaste Foyer kragen die Obergeschosse mit ihrer Spitze weit aus. Erdgeschoss und obere Stockwerke sind von durchgehend gleichen Geschosshöhen gekennzeichnet. In den „Normalgeschossen“ zeigt sich eine versetzt angeordnete Befensterung. Das Motiv der wandhohen Verglasung der Südspitze ist an der Westfassade mit einem über dreieckigem Grundriss angelegten Erker noch einmal aufgenommen. Gleichzeitig ist an der Südflanke des Erkers eine eingezogene Loggia ausgebildet.

Entlang des Fußweges erstreckt sich das Erdgeschoss im hinteren Bereich als Flachbau weiter. Hier führt im 1. Obergeschoss ein verglaster Übergang in den rückwärtigen Gebäudeteil auf der Westseite des Neuen Geisershagen. Dieser ist lediglich zweigeschossig und schließt den Baukomplex nach Norden hin ab. Er beinhaltet den Speisesaal und weitere Gemeinschaftsräume, daher öffnet sich das Erdgeschoss mit weitgehend verglasten Fronten zu den öffentlich einsehbaren Bereichen. Erd- und Obergeschoss zeigen zum Weg hin unterschiedliche Fluchten. Vor der Nordfassade befindet sich eine Rasenfläche.

Die Fassaden beider Bauteile sind mit einem Wärmedämmverbundsystem versehen, verputzt und dunkelgrau gestrichen. An den hochrechteckigen Fensteröffnungen der Herbergszimmer sind einseitige Farbstreifen in verschiedenen Grüntönen angebracht. Entsprechende Farbgestaltungen zeigen die Laibungen der Schrägstützen im Erdgeschoss. An den Loggien und begehbaren Dachflächen befinden sich Metallgeländer mit eng gereihten Vertikalstäben. Über dem Flachdach des nördlichen Gebäudeteils treten Bestandteile der Hausinstallation (Lüftungselemente) aus Edelstahl in Erscheinung.

Die Bebauung der bisherigen Brachflächen an diesem vielfrequentierten Ort der Innenstadt ist städtebaulich gut gelöst. Dies gilt ebenso für die Platzierung einer Jugendherberge an dieser Stelle. Das Grundstück liegt zentral, ist gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und befindet sich zudem in der Nähe der TU. Die städtebauliche Problematik ist mit der Aufteilung in zwei Gebäudeteile in durchaus positiver Hinsicht gelöst. Auch der neue Fußgängerweg erscheint plausibel. Er bietet zudem die Möglichkeit, einen wichtigen Ort der historischen Stadttopographie zu erschließen und aufzuwerten: den Zusammenfluss der drei inneren Okergräben am Nordrand der Innenstadt.

Die Baukubatur des Hauptteils der Jugendherberge erscheint für den Ort sinnvoll, er zeigt mit seiner Spitze eine hier durchaus vertretbare Signifikanz. Die Erdgeschosshöhe wirkt im im Kontext der Gesamthöhe des Gebäudes allerdings als zu niedrig – die Proportionen wirken nicht ganz stimmig. Das Fehlen eines ausgeprägten Dachgeschosses erscheint zudem in einer von Gebäuden mit Satteldächern bestimmten Umgebung unvorteilhaft. Die Schrägstellung der Stützen erzeugt einen dynamischen Eindruck, der jedoch durch die niedrige Erdgeschosshöhe und die Mächtigkeit der ebenfalls mit Wärmedämmung versehenen V-Stützen stark eingeschränkt wird. Ein weiterer, allerdings ohne größeren Aufwand zu behebender Kritikpunkt ist die dunkelgraue, als eintönig erscheinende Farbgebung. Ihre Auflockerung durch grüne Farbstreifen seitlich der Fenster kann, wie die Farbgebung insgesamt, als zeitgenössisch-modische Erscheinung angesehen werden. Am rückwärtigen Gebäudeteil, dessen gelagerte Proportionen auf den Grünraum abgestimmt sind, treten die metallischen Dachaufbauten der Haustechnik störend in Erscheinung.

Altan
Austritt (Balkon) über einem Vorbau, z.B. über einer Veranda
Aus- bzw. Vorkragung
über die Bauflucht vorspringendes Stockwerk bzw. Gebäudeteil
Brüstung
Wandbereich unter einer Fensteröffnung
Fasche
Rahmung einer Fassadenöffnung (Tür, Tor, Fenster) durch Putz- oder Farbstreifen bzw. mit hölzernen Bauteilen
Fensterband
Reihung von Fensteröffnungen, bei Treppenhäusern auch in senkrechter Anordnung möglich
Freigespärre
Vor einer Giebelfassade angeordnetes Dachgespärre zur Stützung eines entsprechenden Dachüberstandes, oft aus dekorativen Gründen errichtet
Fronton
unmittelbar über der Traufe vor der Dachfläche und quer zum First aufgesetzter Dreiecksgiebel
Gaube
hinter die Traufe zurückgesetzter Dachaufbau
Gesims
waagrechter Mauerstreifen oder entsprechendes Profil zur Fassadengliederung, häufig auch an der Traufe (Traufgesims, bei freistehenden Bauten auch Kranzgesims genannt)
Gewände
Einfassung einer Fassadenöffnung (Tür bzw. Fenster)
Kolonnade
offener Gang hinter einer Pfeiler- oder Säulenreihe
Lisene
flacher, senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung
Loggia
hinter einer Fassadenflucht eingezogener Freibereich mit Austritt
Mezzaningeschoss
niedriges Stockwerk, meist unter dem Dachansatz (Traufe) angeordnet
Okulus
kreisrunde Fensteröffnung
Ortgang
Kante einer Dachschräge am Giebel
Paneel
geschlossene Füllung in einer Vorhangfassade
Pilaster
senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung, entsprechend einer Säule mit Basis und Kapitell gesteltet
Pultdach
Dach mit einseitig geneigter Fläche
Risalit
vorspringender Fassadenbereich in gesamter Gebäudehöhe, meist als Mittel- oder Seitenrisalit
Segmentbogen
Bogen über einem Kreisausschnitt (kein voller Rundbogen)
Sohlbank
architektonisch betonter, unterer Abschluss einer Fensteröffnung
Staffelgeschoss
hinter die Traufe zurückspringendes Dachgeschoss, zumeist bei Flachdächern
Sturz
oberer Abschluss einer Wandöffnung (Tür bzw. Fenster)
Traufe
oberer, waagrechter Abschluss einer Fassade, bei geneigten Dächern die untere Dachkante
Vorhangfassade
vom Haupttragwerk eines Gebäudes abgelöste Fassade in Pfosten-Riegel-Konstruktion, oft großflächig verglast
Werkstein
durch Steinmetz bearbeiteter Naturstein
Zwerchhaus
unmittelbar über der Traufe in Fassadenflucht angeordneter Dachaufbau mit Giebel quer zum First (Zwerchgiebel)