Wohn- und Geschäftshaus Poststraße 9

Ansicht von Südwesten

Ansicht von Südwesten

  1. Nutzung, Bauzeit

    • Wohn- und Geschäftshaus
    • Neubau von 1984
  2. Städtebauliche Situation, Nachbargebäude

    • markante städtebauliche Situation an der Ecke Altstadtmarkt/Poststraße
    • geschlossene Bebauung
    • Nachbargebäude Altstadtmarkt 13: viergeschossiges Wohn- und Geschäftshaus mit schlichter Putzfassade und Satteldach
    • Poststraße 10: dreigeschossiges Geschäftshaus mit Flachdach
  3. Geschossigkeit und Dachform

    • viergeschossiges Gebäude mit Walmdach
  4. Baukörpergestaltung

    • Eckgebäude entsprechend der städtebaulichen Situation
    • Horizontalgliederung in Erdgeschoss, Obergeschosse und Walmdach mit Dachaufbauten
    • Westfassade mit abgeschrägten und auskragenden Wandbereichen in den Obergeschossen
  5. Bezug von Baukörper und Dachform zur Umgebung

    • Baukörper und Walmdach fügen sich in das historische Ensemble Altstadtmarkt ein
    • Auskragungen zitieren historischen Fachwerkbau
  6. Fassadengestaltung

    • Erdgeschoss: Schaufensterbereich mit tragenden und gliedernden Betonstützen
    • Obergeschoss: Putzfassaden mit verschieden gestalteten, überwiegend hochrechteckigen Fensteröffnungen
    • vertikale Fensterbänder flankieren Südfassade
    • horizontale Fensterbänder in der Traufzone, hier Loggia an der Südfassade
    • Dachaufbauten dreieckig und mit Segmentbogen, vollflächig verglast
  7. Detaillierung

    • gestreifte Betonstützen mit angedeuteter Kapitellzone
    • Abschlussgesimse
    • unterschiedliche Teilungen von Fenstern und Verglasungenz
  8. Materialien und Farbgebung

    • Sichtbeton bei gliedernden Elementen, z.B. Betonstützen
    • beigefarbene Putzflächen
    • Holzfenster und Füllelemente aus Holz
    • Dachdeckung mit Krempziegeln
  9. Bezug der Materialien und Fassadengestaltung zur Umgebung

    • Putzfassaden, Fensterformate und Ziegeldächer korrespondieren mit Bebauung am Altstadtmarkt
    • gliedernde und farblich differenzierte Betonbauteile sowie Verglasungen und Fensterbänder schaffen dezenten Kontrast zu traditionellen Elementen
  10. Abschließende Bewertung: + + +

    • zeitlos erscheinende Zitate der historischen Bürgerhausarchitektur Braunschweigs
    • Gebäude aus den 1980er Jahren verleugnet seine Entstehungszeit nicht
    • Beispiel für die geschickte Einfügung und Komplettierung eines Platzensembles, das den historischen Bauten den Vortritt lässt
Ansicht von Südwesten

Ansicht von Südwesten

Der Altstadtmarkt ist ein historischer und städtebaulicher Schwerpunkt des alten Braunschweig. Hier wurde nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges ein ganzheitlich wirkendes Ensemble geschaffen, das den mittelalterlichen Bauten den Vortritt lässt. An der wichtigen Ecksituation zur Poststraße existierte bis in die 1980er Jahre jedoch eine Baulücke, die lediglich mit einer eingeschossigen Interimsbebauung besetzt war.

An dieser Stelle entstand 1984 ein neues Wohnund Geschäftshaus. Das viergeschossige Gebäude schließt die einstige Lücke und besitzt ein Walmdach. Mit seiner eindeutigen Teilung in Erdgeschoss, Obergeschosse und Dachzone nimmt es die überlieferte Struktur eines innerstädtischen Hauses auf. Das Erdgeschoss ist als Ladenbereich mit großflächigen Schaufenstern gestaltet. Als tragende und gliedernde Elemente sind massive Wandpfeiler und Rundstützen aus Beton in die Schaufensterzone integriert. Sie tragen Betonstürze und verdeutlichen so die Lastabtragung der Fassaden im Erdgeschoss. Eingelegte Farbschichten beleben die Pfeiler und markieren eine „Kapitellzone“.

Die Fassaden der drei Obergeschosse sind verputzt und zeigen überwiegend hochrechteckige Fensteröffnungen. Beide Fronten sind trotz einheitlicher Wirkung differenziert gestaltet. An der westlichen Platzfassade erzeugt ein Spiel mit den Baufluchten entsprechend abknickende Fassadenscheiben. Diese kragen jeweils über den darunter liegenden Stockwerken vor und evozieren eine Erinnerung an historische Fachwerkarchitektur, zumal der Fenstersturz über dem Erdgeschoss an der Auskragung wie ein Balkenkopf gestaltet ist.

An der Südfassade (Poststraße) sind das 1. und 2. Obergeschoss in einer seitlich von vertikalen Fensterelementen flankierten Fassadenscheibe zusammengefasst. Die senkrechten Elemente münden im 3. Obergeschoss in einem horizontalen Fensterband. Es zieht über die Ecke hinweg und bekrönt somit auch den abgeschrägten Fassadenteil der Westfassade. Unter dem Fensterband schließen die Fensterbänder mit Gesimsen ab. An der Südfassade sind die Fenster im 2. Obergeschoss im Prinzip quadratisch und zeigen gestufte Überdeckungen. Ein quadratisches Fenster befindet sich im gleichen Stockwerk auch in der auskragenden Fassadenscheibe der Westfassade. Die Fenster sind aus Holz gefertigt und zeigen verschiedenartige Teilungen.

Das mit roten Krempziegeln gedeckte Walmdach nimmt die Dachneigung des benachbarten Hauses Altstadtmarkt 13 auf. Über dem horizontalen Fensterband setzt sich das Dach mit größerem Überstand und entsprechendem Schattenwurf von den Fassaden ab. In den Mittelachsen beider Fassaden sind die Dachflächen von Aufbauten belebt. Der platzseitige Dachaufbau ist entsprechend der auskragenden Fassadenscheibe geknickt und zeigt einen dreieckigen Querschnitt, während sein südseitiges Pen- dant segmentförmig ausgebildet ist. Die beiden Frontons sind vollständig verglast und in der Mitte durch Rundstäbe zentriert. Unterhalb der Dachaufbauten bestehen rechteckige Einschnitte in die Putzfassaden, die in die waagrechten Fensterbänder integriert sind. Der südseitige Einschnitt ist als Loggia ausgebildet.

Das Eckhaus Poststraße 9 ist ein gutes Beispiel für die geschickte Einbindung eines Neubaus in eine sensible städtebauliche Situation. Dies gilt sowohl für die Baukörper- und Fassadengestaltung, für Detaillierung, Materialwahl sowie Farbgebung. Dachform und Dachdeckung entsprechen der überlieferten Bautradition im alten Braunschweig. Damit korrespondiert die Einbindung von Dachaufbauten, wie sie ganz typisch für die historischen Bürgerhäuser der Stadt sind. Die abknickenden und auskragenden Fassadenelemente an der Westfassade sind ein weiteres Element, welches das Haus mit der älteren Bautradition verbindet.

Poststraße 9 lässt seine Entstehungszeit in den 1980er Jahren durchaus erkennen. Die für die Bauzeit typischen, postmodernen Gestaltungselemente wie die gestreiften Stützen sind jedoch dezent-zurückhaltend. Insgesamt wirkt das Haus als moderne Abrundung des Altstadtmarktes mit zeitlosem Bezug zur baulichen Vergangenheit Braunschweigs.

Altan
Austritt (Balkon) über einem Vorbau, z.B. über einer Veranda
Aus- bzw. Vorkragung
über die Bauflucht vorspringendes Stockwerk bzw. Gebäudeteil
Brüstung
Wandbereich unter einer Fensteröffnung
Fasche
Rahmung einer Fassadenöffnung (Tür, Tor, Fenster) durch Putz- oder Farbstreifen bzw. mit hölzernen Bauteilen
Fensterband
Reihung von Fensteröffnungen, bei Treppenhäusern auch in senkrechter Anordnung möglich
Freigespärre
Vor einer Giebelfassade angeordnetes Dachgespärre zur Stützung eines entsprechenden Dachüberstandes, oft aus dekorativen Gründen errichtet
Fronton
unmittelbar über der Traufe vor der Dachfläche und quer zum First aufgesetzter Dreiecksgiebel
Gaube
hinter die Traufe zurückgesetzter Dachaufbau
Gesims
waagrechter Mauerstreifen oder entsprechendes Profil zur Fassadengliederung, häufig auch an der Traufe (Traufgesims, bei freistehenden Bauten auch Kranzgesims genannt)
Gewände
Einfassung einer Fassadenöffnung (Tür bzw. Fenster)
Kolonnade
offener Gang hinter einer Pfeiler- oder Säulenreihe
Lisene
flacher, senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung
Loggia
hinter einer Fassadenflucht eingezogener Freibereich mit Austritt
Mezzaningeschoss
niedriges Stockwerk, meist unter dem Dachansatz (Traufe) angeordnet
Okulus
kreisrunde Fensteröffnung
Ortgang
Kante einer Dachschräge am Giebel
Paneel
geschlossene Füllung in einer Vorhangfassade
Pilaster
senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung, entsprechend einer Säule mit Basis und Kapitell gesteltet
Pultdach
Dach mit einseitig geneigter Fläche
Risalit
vorspringender Fassadenbereich in gesamter Gebäudehöhe, meist als Mittel- oder Seitenrisalit
Segmentbogen
Bogen über einem Kreisausschnitt (kein voller Rundbogen)
Sohlbank
architektonisch betonter, unterer Abschluss einer Fensteröffnung
Staffelgeschoss
hinter die Traufe zurückspringendes Dachgeschoss, zumeist bei Flachdächern
Sturz
oberer Abschluss einer Wandöffnung (Tür bzw. Fenster)
Traufe
oberer, waagrechter Abschluss einer Fassade, bei geneigten Dächern die untere Dachkante
Vorhangfassade
vom Haupttragwerk eines Gebäudes abgelöste Fassade in Pfosten-Riegel-Konstruktion, oft großflächig verglast
Werkstein
durch Steinmetz bearbeiteter Naturstein
Zwerchhaus
unmittelbar über der Traufe in Fassadenflucht angeordneter Dachaufbau mit Giebel quer zum First (Zwerchgiebel)